Soso,
mit solchen Themen beschäftigen sich die Leute in diesem Forum also, während sie die News zu Staffel 12 ignorieren. Wie es der Zufall so will, habe ich gerade ein Video von einem Vortrag auf der diesjährigen Skepkon der GWUP gesehen. Da wurde im Rahmen des Themas, warum sich Pseudo-Erklärungen so hartnäckig halten, darauf hingewiesen, dass George Washington 1799 bessere Chancen gehabt hätte, seinen Kehlkopfkrebs zu überleben, wenn er sich der Homöopathie anvertraut hätte, statt der Schulmedizin. Die Bestand damals nämlich in der Behandlungsmethode des Aderlasses und es wird vermutet, dass George Washington durch den Blutverlust gestorben ist.
Was du hier als "Schulmedizin" bezeichnest, hat mit der heutigen evidenzbasierten Medizin nichts zu tun und sollte auch nicht mit dieser verwechselt werden. Die damalige Doktrin basierte noch auf dem Vier-Säfte-System, was mit der modernen Pathologie, insbesondere der von Pasteur und Koch hervorgebrachten Infektologie, nichts zu tun hat. Damals wurden Krankheiten mit einem Ungleichgewicht der Körpersäfte in Verbindung gebracht und sollten durch ein Ablassen der überschüssigen Säfte geheilt werden. Das hat mehr mit Anthroposophie zu tun als mit heutiger Medizin.
ZitatDie Homöopathie ist auf allerbeste wissenschaftliche Weise entstanden. Samuel Hahnemann hat Thesen aufgestellt und diese durch Experimente überprüft. Ähnliches sollte durch Ähnliches geheilt werden und die Dosis entscheidet darüber, ob etwas als Gift oder als Heilmittel wirkt. Gifte, die ähnliche Symptome verursachen wie Krankheiten, wurden daraufhin soweit herunterdosiert, dass alle Giftwirkungen verschwanden.
Hahnemann hat wie ein Alchimist pseudowissenschaftliche Methoden angewandt. Klangen wissenschaftlich, waren sie aber nicht. Und Effekte hat er überinterpretiert und verallgemeinert. So wie Herr Bach alle möglichen Blüten gefuttert und dabei wohl die eine oder andere hallizinogene erwischt und sich irgendwelche Effekte eingebildet hat. Und diese angeblich wissenschaftliche Methodik wird von seinen Anhängern immer noch ins Feld geführt. Sicherlich war die Homöopathie damals kein größerer Humbug als die geltende Lehrmeinung, aber verglichen mit der evidenzbasierten Medizin ist es trotzdem Quatsch. Letztere hat natürlich nach wie vor den Nachteil, dass sie größtenteils nur symptomatisch behandeln kann, weil uns viele physiologische Vorgänge immer noch nicht bekannt sind.
ZitatMan stelle sich vor, die Anhänger des Aderlasses wären ebenso schlau gewesen. Statt "viel hilft viel" wäre eine Form des Aderlasses entwickelt worden, bei der die Blutentnahme auf im Durchschnitt weniger als ein Molekül reduziert wird. Am Ende hätte es dann eine beeindruckende Prozedur geben können, mit einem maximalen Placeboeffekt, aber ohne Schwächung des Körpers durch Blutverlust.
Natürlich. Nichtbehandlung ist besser als Falschbehandlung. Aber die richtige Behandlung ist besser als die Nichtbehandlung.
ZitatDie Geschichte ist anders verlaufen. Die Homöopathie war anfangs wegen ihrer sanfteren Behandlungsmethoden erfolgreicher als die Schulmedizin, die sich dann aber rasant weiterentwickelte.
Die Homöopathie, und da schließe ich auch die Biochemie nach Schüßler ein, war so erfolgreich, weil die meisten Leute auf dem Land wohnten, Tage entfernt vom nächsten Arzt, den sie eh nicht hätten bezahlen können und ihnen hier einfache und billige Methoden zur Selbstbehandlung in die Hand gedrückt wurden.
ZitatWenn heute jemand eine Diskussion über die Wirksamkeit der Homöopathie beginnt und man sich darauf einlässt, hat man bereits verloren. Man hat ja nicht selbst irgendwelche Wirksamkeitsstudien durchgeführt, kann deren Aussagekraft deshalb allenfalls aus zweiter Hand beurteilen. Also reduziert es sich unweigerlich darauf, wer wem vertraut und an welche Dinge man glaubt. Man kann sich dann gegenseitig die eigenen Vorurteile vortragen. Immer im Kreis herum. Endlos.
Nein, eigentlich nicht. Wenn die Homöopathie keine Wirksamkeit nachweisen kann, hat sie selbst verloren. Und darauf einlassen muss sie sich, wenn sie ernst genommen werdne will. Homöopathie existiert seit über 200 Jahren, und bisher hat noch keiner eine Studie vorgelegt, die die Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus belegt. Und wegen der Studie: die Rohdaten sind bekannt, kann man notfalls anfordern, und dann kann man mal selbst auswerten. Was dabei rauskommt, wenn man das mit Homöopathie macht, sieht man am Ende vom von mir verlinkten Video.
ZitatIch habe eine naturwissenschaftliche Ausbildung und bin deshalb allen Behauptungen gegenüber gleichermaßen aufgeschlossen. Für mich sind deshalb alle "alternativen Heilmethoden" gleichberechtigt.
Dann hast du aber in deiner naturwissenschaftlichen Ausbilddung einige elementare Dinge nicht gelernt, nämlich die wissenschaftliche Methodik, die auf Beobachtung, Hypothese und Beweis beruht. Den Beweis bleiben die Homöopathie und andere sogenannte "alternative Heilmethoden" bis heute schuldig. Und wer meint, dass Glauben und Wissen gleichberechtigt nebeneinander existieren müssen, für den ist auch Kreationismus und Intelligent Design eine ernsthafte Alternative zur Evolution und Plattentektonik.
ZitatAlle verweisen auf Fälle, in denen es geholfen hat. Da ich Mathematik studiert habe, eignet sich für mich vielleicht besonders das Grigori Zahlenheilen. Ich kaufe dazu ein Buch oder finde eine Auflistung im Internet, wo ich die passende Zahl heraussuchen kann, die meine Probleme lösen soll. Diese Zahl schreibe ich auf einen Zettel, den Zettel lege ich auf den Nachttisch, stelle ein Glas Wasser darauf, als Antenne, und gewissermaßen über Nacht werde ich dann gesund. Oder zum Millionär.
Einzelfälle, bei denen irgendwas angeblich geholfen hat. Hörensagen. Weißt du eigentlich, was für eine Bias dahintersteckt? Über wieviele Fälle, bei denen es nicht geholfen hat, wird denn nicht berichtet? Wenn man oft genug rät, hat man auch irgendwann einen Zufallstreffer. Raten hat aber mit Wissenschaft nichts zu tun. Vermuten schon, aber nur, wenn die Vermutung auf ihre Richtigkeit überprüft wird.
ZitatMein Einwand ist zunächst, dass die Zahlen in diesen Listen etwas fantasielos zusammengestellt werden. Ich würde gern auch sowas wie die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante als Auswahlmöglichkeit angeboten bekommen. Schließlich entscheide ich mich dann aber, dass die Telefonnummer der Freundin doch immer noch die Zahl ist, die die größte positive Wirkung für mich hat.
Welch Wunder. Du stellst eine Verbindung zwischen der Telefonnummer und deiner Freundin her. Wenn du die Nummer siehst, steigen die Endorphine. Pawlow hat das gleiche bei Hunden mit Klingeln und Fressen gemacht.
ZitatStatt der Diskussion, ob Homöopathie wirksam ist, könnte man also zum Beispiel auch diskutieren, warum Homöopathie wirksamer sein könnte - oder auch nicht - als das Grigori Zahlenheilen. Oder jede beliebige andere Methode. Ist wahrscheinlich auch nutzlos, aber zumindest unterhaltsam.
Warum sollte man einen ernsthaften wissenschaftlichen Diskurs über etwas führen, was seinen Beweis immer noch schuldig ist? Genauso gut könnten wir über Gott diskutieren.
ZitatOder es wird sehr ernst, wenn man dann auf sowas wie die Germanische Neue Medizin stößt oder auf die in einigen Sekten verbreitete Auffassung, dass jemand, der an die richtige Sache glaubt, gar nicht erst krank wird, bzw. jede Krankheit "von innen" heilen kann. Deren Anhänger werden alle Krankheitssymptome unterdrücken, weil es ja als Zeichen für Unglauben bzw. Verrat an den gemeinsamen Wertvorstellungen erscheint, oder werden bis in den Tod hinein beteuern, dass es ihnen bereits jeden Tag besser geht.
Germanische Neue Medizin ist ein ganz anderes Thema. Genau wie Arische Physik. Könnte man sich auch drüber unterhalten, ist hier aber nicht das Thema.
ZitatDie Homöopathie steht im Vergleich zu solchen Extremen noch relativ gut da und hat auch gegenüber der Schulmedizin immer noch den Bonus, dass die Ärtzte sich mehr Zeit für die Patienten nehmen. Aber die Homöopathie hat den gleichen Nachteil wie Schulmedizin oder Esoterik. Es wird damit Geld verdient. Globuli und ebenso Eso-Wundermittel wie Lichtquantenpulver und Tesla-Platten sind ein Milliardengeschäft.
Weil die Homöopathie nicht auf den politischen Ansichten der ANhänger dieser Behandlungsmethoden aufsetzt. Weniger hanebüchen ist sie dadurch aber nicht. Meine Lieblinge sind aber MMS, wo sich Menschen Chlorbleiche reinkippen, "Vitamin B17" Amygdalin oder auch Maria Treben - lauter Anleitungen zur Selbstvergiftung, die angeblich gegen alles helfen, inclusive AIDS und Krebs. Dagegen ist die Homöopathie zum Glück "nur" wirkungslos.
ZitatDie Pharmaindustrie finanziert versteckt die Gutachten, die ihren Präparaten die behauptete Wirkung bestätigen. Auf dem Esomarkt werden solche Studien lediglich etwas offensichtlicher gefälscht. Die Unterlassungsaufforderung von Hevert unterscheidet sich nicht allzu sehr von juristischen Vorgehensweisen der Pharmakonzerne. Das Goldene Brett hätte ebenso die Contergan-Stiftung verdient, die Entschädigungen an Contergan-Opfer in Brasilien nicht mehr zahlen will, weil das Medikament seinerzeit nicht nur von der Grünenthal GmbH sondern in den betreffenden Fällen angeblich von einem anderen Unternehmen vertrieben worden sein soll.
Contergan ist wieder ein ganz anderes Thema. Ein wunderbares nebenwirkungsarmes, gut bekömmliches Schlafmittel - nur leider völlig kontraindiziert bei Schwangerschaft. Übrigens hat die FDA damals auf die australische Lancet-Studie reagiert, so dass es in den USA nicht zu Missbildungen gekommen ist. In Europa sind entsprechende Maßnahmen wie Arzneimittelzulassungen mit Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweis erst sehr viel später gekommen, von einer umfassenden Pharmakovigilanz im Rahmen des Lifecycle-Managements wolen wie mal gar nicht reden, das gibt es erst seit dem 21. Jahrhundert. Im Falle von Thalidomid und verwandten Substanzen gibt es mittlerweile das T-Register.
Was die von der Pharmaindustrie finanzierten Studien angeht: das Studiendesign muss genehmigt werden und die Auswertung der klinischen Daten wird von den Zulassungsbehörden geprüft. Glaub mal nicht, dass die so dämlich sind. Ich erinnere an den Fall der gefälschten indischen Bioäquivalenzstudien, die den Franzosen aufgefallen ist. Hat zwar keine Gefahr bestanden, weil es sich "nur" um BE-Studien handelte, für die entsprechenden Generikahersteller sah es allerdings schlecht aus, weil ihre Zulassung bis zur Vorlage neuer Studien erstmal ruhte. Und nun überlege die mal den Zeitrahmen, in dem solche Studien bis zum Abschlussbericht durchgeführt werden.
ZitatDas sehr schöne Video von Post 138 zeigt übrigens, wenn man beim Q&A noch aufmerksam zuhört, Tricksereien mit Statistiken, die im ganz normalen Wissenschaftsbetrieb alltäglich sind. Gegen solchen Verfall der Wissenschaft, gegen finanzielle Interessen der Pharmakonzerne, arrogante Halbgötter in weiß, Kunstfehler und Apparatemedizin sollten gegenseitige Kontrolle durch Universitäten, Krankenkassen, Politik und Patientenorganisationen helfen. Gegen die Auswüchse auf dem Esomarkt wurde die Skeptikerbewegung gegründet.
Genau, man muss aufmerksam zuhören. Der Vortragende sagt, wenn man die Tricksereien abzieht, bleibt bei richtiger Wissenschaft trotzdem was übrig, bei den Homöopathiestudien hingegen bleibt nichts übrig.
ZitatAn deren Beginn stand die Erkenntnis, dass Wissenschaftler sich zwar immer am schnellsten durch Esoteriker herausgefordert fühlen, aber am wenigsten geeignet sind, dagegen etwas zu bewirken. Wissenschaftler sind Dogmatiker, Fachidioten oder so naive Typen wie ich, die erstmal alles für möglich halten und irgendwelche Perpetuum Mobile Maschinchen faszinierend finden.
Natürlich. Mit Logik und Verstand kommt man gegen pseudoreligiöse Dogmen ja auch nicht an. Das heißt aber nicht, dass man den Unsinn nicht unkommentiert stehenlassen muss.
ZitatWer gegen Scharlatanerie etwas ausrichten möchte, muss statt einer intellektuellen wissenschaftlichen Herausforderung stattdessen darin grundsätzlich den Betrug sehen. Und diesen Betrug können am besten Bühnenmagier durchschauen. Die Skeptikerbewegung wurde begründet einerseits vor 100 Jahren von Houdini und dann ab den 70ern von James Randi, zunächst um die Tricks von Uri Geller aufzudecken.
Die Tricks, mit denen gearbeitet wird, sind hinlänglich bekannt. Das interessert die Gläubigen aber nicht, weil das, was nicht sein kann, nicht sein darf. Versuch mal, mit AfD-Anhängern über den Klimawandel zu diskutieren und bring als Argument, dass ihre Partei die Lobbypartei der Dreckschleuderindustrie ist, die seit 40 Jahren weiß, wie schädlich CO2-Emissionen sind und beschlossen hat, den großen Mantel des Schweigens darüber auszubreiten. Damit kommst du genauso wenig weit wie mit Sachargumenten.
ZitatIn Österreich und Deutschland ist daraus die GWUP entstanden. Analog zur 1-Millionen-Dollar Challenge von James Randi bietet die GWUP ein Preisgeld für Wünschelrutengänger, die echte übernatürliche Fähigkeiten nachweisen können. In diesem Fall eine Form von Selbstbetrug, da die Betreffenden selbst an ihre besonderen Kräfte glauben.
Die Psi-Tests werden bei der GWUP von jemandem durchgeführt, der sehr sorgsam damit umgeht und dabei niemanden in die Pfanne hauen will. Auch zu anderen Themen verfügt die GWUP über einige sehr kompetente Leute. Natalie Grams war selbst Homöopathin und hat dann irgendwann angefangen Fragen zu stellen. In ihren Vorträgen bei der GWUP vermittelt sie, dass es ihr nicht um einen Glaubenskrieg geht, sondern um Sachaufklärung.
Auf der anderen Seite zieht die GWUP natürlich auch Eiferer an und bräuchte manchmal eine Skeptiker-der-Skeptiker-Bewegung, damit sowas gestoppt wird. So hat sich die GWUP beispielsweise einen Typen eingefangen, der auf demagogische Weise Gentechnologie, Glyphosat und Golden Rice propagiert und alle, die Kritik daran haben, diffamiert, dass wir Menschen verhungern lassen.
Stimmung wird auf beiden Seiten gemacht. Die Frage ist nur: wer kann seine Behauptungen mit Fakten untermauern? Oder im Kant'schen Sinne sich die Frage stellen: Kann das überhaupt sein? Gerade im Bereich der Verschwörungstheorien wird diese Frage viel zu selten gestellt und kritiklos das angenommen, was das eigene Weltbild bestätigt.
ZitatAufgrund meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung bin ich allem gegenüber aufgeschlossen, aber ich habe auch gelernt, dass jede Behauptung überprüft werden muss. Immer wieder neu. Informieren und verifizieren. Und stets in alle Richtungen skeptisch bleiben.
Radioactive Man
Richtig, Skepsis in alle Richtungen, ansonsten entsteht eine confirmation bias. Und da sich jeder subjektiv beeinflussen lässt, geht sowas nur über neutrale Tests entsprechend einem vorher festgelegten Design und entsprechender Auswertung, ansonsten entsteht eine kognitive Verzerrung entsprechend der Vorstellung: früher war alles besser. Oder Homöopathie hilft, weil man die ganzen Fälle, wo sie nicht hilft, einfach ausblendet und nur die nimmt, wo es scheinbar geholfen hat.
EDIT: Aha, unser Zelot Pascal verteilt wieder kräftig seine Däumchen nach unten. Naja, irgendeinen konstuktiven Beitrag, der evtl. sogar auf vorgebrachte Argumente eingeht, hatte ich ohnehin nicht erwartet. Unterstreicht aber wunderbar den Sektencharakter mancher Homöopathiejünger.